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AU-Bescheinigung und ihre Beweiskraft vor dem Arbeitsgericht: Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber wissen müssen

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) gilt als zentrales Beweismittel bei krankheitsbedingter Abwesenheit und hat eine hohe Beweiskraft. Doch: Ist sie immer rechtlich unangreifbar? Vor allem im Zusammenhang mit Kündigungen kommt es regelmäßig zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen über die Beweiskraft der AU. Hier erfahren Sie, wann Zweifel berechtigt sind, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) dazu urteilt und was Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber beachten sollten.

Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Grundsatz laut BAG

Die AU-Bescheinigung hat grundsätzlich einen hohen Beweiswert. Sie bestätigt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt und verpflichtet den Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Eine weitergehende Beweisführung ist vonseiten des Arbeitnehmers in der Regel nicht erforderlich.

Rechtsprechung: Das Bundesarbeitsgericht hat dies in seinem Urteil vom 08.09.2021 (5 AZR 149/21) ausdrücklich bestätigt.

Wann ist der Beweiswert der AU erschüttert?

Trotz des starken Beweiswerts ist die AU-Bescheinigung nicht unangreifbar. Arbeitgeber können sie in bestimmten Fällen anzweifeln, wenn objektive Umstände den Verdacht einer vorgetäuschten Erkrankung rechtfertigen.

1. Krankmeldung unmittelbar nach Kündigung

Wird die AU zeitgleich mit einer Kündigung oder direkt im Anschluss daran eingereicht und werden danach Folgebescheinigungen bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vorgelegt, kann dies ein Indiz für eine nicht tatsächliche Erkrankung und damit fehlende Arbeitsunfähigkeit sein (zeitliche Koinzidenz).

Urteil: BAG vom 13.12.2023 – 5 AZR 137/23

2. Lückenlose Krankschreibung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses

Deckt die AU exakt den Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und erfolgt daran anschließend die sofortige Arbeitsaufnahme beim neuen Arbeitgeber, kann dies Zweifel an der Echtheit der Arbeitsunfähigkeit begründen (zeitliche Koinzidenz).

3. Telefonische Krankschreibung ohne persönliche Untersuchung

Telefonisch ausgestellte AUs, insbesondere ohne vorherigen Arztkontakt oder körperliche Untersuchung, können den Beweiswert schwächen – vor allem bei häufigem oder auffälligem Gebrauch, z.B. am Wochenanfang oder vor dem Wochenende sowie „passend“ an Brückentagen.

4. Auffälliges Verhalten während der Krankschreibung

Fällt ein Arbeitnehmer während der Krankschreibung durch private Aktivitäten, wie längere Autofahrten (bei Berufskraftfahrer) auf, so könnte dies zu Zweifeln an dessen Arbeitsunfähigkeit führen. Jedoch behält eine AU-Bescheinigung ihre Beweiskraft, solange sie fachgerecht erstellt wurde. Private Aktivitäten während der Arbeitsunfähigkeit (wie Autofahrten) führen nicht automatisch zur Erschütterung des Beweiswerts, wenn sie mit dem Krankheitsbild vereinbar sind. Ein zusätzlicher Beweis muss der Arbeitnehmer in diesem Fall nicht vorbringen.

Urteil: LAG Köln, Urteil vom 3.11.2023 – 10 SA 263/23

Was ist Koinzidenz?

Das Wort „Koinzidenz“ bezeichnet das gleichzeitig Aufeinandertreffen von zwei oder mehreren Ereignissen.

Von einer zeitlichen Koinzidenz spricht man im Bereich des Arbeitsrechts, wenn bei einer Kündigung das Ausstellungsdatum und die Dauer einer AU-Bescheinigung mit dem Zeitpunkt der Kündigungserklärung und dem Ablauf der Kündigungsfrist übereinstimmen. Ein solches Zusammentreffen kann dazu führen, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch ärztliches Attest erschüttert ist. Im Falle einer rechtlichen Prüfung sind alle Gesamtumstände zu würdigen und zu beachten.

So kann es z.B. bei Vorlage von mehreren AU-Bescheinigungen bei der ersten an einer zeitlichen Koinzidenz fehlen, dagegen kann bei den weiteren „passgenauen“ Folgebescheinigungen eine solche vorliegen.

Folgen für Arbeitnehmer bei erschütterter AU

Gelingt es dem Arbeitgeber durch einen ausreichenden Vortrag eines Sachverhalts und Tatsachen, den Beweiswert eines ärztlichen Attest (AU-Bescheinigung) schlüssig zu erschüttern, z.B. durch zeitliche Koinzidenz, muss der Arbeitnehmer zusätzliche Beweise für seine Arbeitsunfähigkeit erbringen. Dies kann z. B. eine ausführliche ärztliche Stellungnahme oder die Entbindung des behandelten Arztes von dessen Schweigepflicht erfolgen.

Sollte das Gericht im Ergebnis feststellen, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen ist, kommt es zu folgenden Folgen: Ohne erfolgreichen Nachweis besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung (§ 3 EFZG). Zudem kann ein vorsätzliches Verhalten zur Kündigung des Arbeitsvertrages führen.

Praxistipps: So handeln Sie richtig

Für Arbeitgeber:
  • Zweifel dokumentieren (z. B. Verhalten, Zeitpunkt der AU), Zeugenaussagen protokollieren
  • Arbeitnehmer zur Stellungnahme auffordern
  • Bei Bedarf arbeitsrechtliche Beratung einholen
Für Arbeitnehmer:
  • Krankschreibung lückenlos und rechtzeitig einreichen
  • AU nicht leichtfertig nutzen – besonders bei Kündigungen
  • Bei Zweifel des Arbeitgebers offen und glaubwürdig kommunizieren

Fazit: Beweiswert AU ist stark – aber nicht unantastbar

Die AU-Bescheinigung bietet einen hohen rechtlichen Schutz, ist aber durchaus angreifbar, wenn konkrete Zweifel bestehen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst sein – insbesondere im Kontext einer Kündigung oder Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht.

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