Falschbetankung kann nicht nur ärgerlich, sondern auch kostspielig sein – vor allem dann, wenn ein Arbeitnehmer den Firmenwagen falsch betankt. Doch wer trägt in einem solchen Fall die Kosten? Der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber? Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen rund um das Thema Schadenersatz bei Falschbetankung aus arbeitsrechtlicher Sicht.
Falschbetankung: Wann und welche Kosten entstehen?
Falschbetankung liegt vor, wenn ein Fahrzeug mit einem falschen Kraftstoff betankt wird. Besonders häufig tritt dies bei Dieselfahrzeugen auf, die versehentlich mit Benzin betankt werden oder umgekehrt. Die Folgen können erheblich sein: Von Motorschäden bis hin zu hohen Reparaturkosten. Die Kosten können erheblich schwanken und sind davon abhängig, welche Schäden durch die Falschbetankung entstanden sind.
Hohe Kosten bei Motorschaden nach Falschbetankung
Die Kosten für das Abpumpen und säubern betragen einige hundert Euro. Für das Abschleppen können weitere Kosten hinzukommen. Bei einem Motorschaden kann ein deutlich höherer Schaden und damit beträchtliche Kosten entstehen. Die Kosten für einen (neuen) Austauschmotor betragen häufig mehrere Tausend Euro.
Haftung des Arbeitnehmers bei Falschbetankung
Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht: Der Arbeitnehmer haftet für Schäden, die er während der Arbeitsausführung verursacht, nur eingeschränkt. Hier greift das sogenannte “innerbetriebliche Schadensausgleichsprinzip”, das die Haftung des Arbeitnehmers je nach Grad seines Verschuldens staffelt.
a) Leichte Fahrlässigkeit Arbeitnehmerhaftung
Wenn die Falschbetankung auf leichte Fahrlässigkeit zurückzuführen ist – beispielsweise durch einen kleinen Moment der Unachtsamkeit – haftet der Arbeitnehmer in der Regel nicht. In diesem Fall trägt der Arbeitgeber die Kosten für den entstandenen Schaden.
b) Mittlere Fahrlässigkeit Arbeitnehmerhaftung
Bei mittlerer Fahrlässigkeit kann der Arbeitnehmer teilweise zur Haftung herangezogen werden. Hier wird ein Schadensausgleich erfolgen, bei dem sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber einen Teil der Kosten zu tragen haben.
c) Haftung des Arbeitnehmers bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz
Im Falle von grober Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz muss der Arbeitnehmer in vollem Umfang für den Schaden aufkommen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer grundlegende Sorgfaltspflichten außer Acht lässt, wie beispielsweise das bewusste Ignorieren von Warnhinweisen am Fahrzeug.
Bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit kann es im Einzelfall jedoch ebenfalls zu einer Haftungsbegrenzung für den Arbeitnehmer kommen, dies insbesondere dann, wenn zwischen der Höhe der Reparaturkosten und der Höhe des Lohns ein deutliches Missverhältnis besteht.
Ausnahmen und Urteile zur groben Fahrlässigkeit bei Falschbetankung
In vielen Fällen wird eine Falschbetankung als grob fahrlässig eingestuft, vor allem wenn eindeutige Hinweise wie Fahrzeugkennzeichnungen oder Zapfsäulenhinweise ignoriert werden. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer also das missachtet, was im konkreten Fall jedem einleuchten muss. Für das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit sind sowohl objektive als auch subjektive Umstände zu beachten.
Dennoch gibt es Ausnahmen und spezielle Umstände, bei denen die Gerichte trotz offensichtlicher Fehler eine volle Haftung des Arbeitnehmers ablehnen oder abmildern. Die genaue Abgrenzung zwischen grober Fahrlässigkeit und normaler Fahrlässigkeit kann oft kompliziert sein und erfordert eine Abwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls.
Ausnahmen von der groben Fahrlässigkeit bei Falschbetankung
Es gibt Situationen, in denen Gerichte trotz einer objektiv fehlerhaften Betankung eine grobe Fahrlässigkeit ablehnen. Solche Ausnahmen beruhen auf besonderen Umständen, die den Arbeitnehmer entlasten können:
1. Stress- oder Zeitdruck
In Fällen, in denen der Arbeitnehmer unter extremem Zeitdruck oder in einer Stresssituation handelte, kann dies als mildernder Umstand gewertet werden. Gerichte erkennen an, dass der Arbeitsalltag nicht immer fehlerfrei verläuft (Ablenkung durch Beschwerde während des Tankvorgangs und gleichfalls hohe Arbeitsbelastung eines Zustellers, Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 08.02.2011 – Az.: 1 K 1880/10), und bewerten in solchen Fällen das Verhalten oft nur als normale Fahrlässigkeit.
Schuldmindernd kann in diesem Sinne berücksichtigt werden, wenn das „Augenblicksversagen“ seine Ursache in einer Konzentrationsschwäche hat. Dies etwa ist dann gegeben, wenn zum Beginn des Tankvorgangs von einer anderen Person angesprochen und in ein Gespräch verwickelt wurde und hierdurch so abgelenkt wird, dass irrtümlich die falsche Zapfpistole gegriffen wurde (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 21. Juli 2007, Az: 3 A 19/07).
Hohe Arbeitsbelastung zwei Tage vor Heiligabend bei einem Zusteller. Diese Umstände lassen sein Fehlverhalten in einem deutlich milderen Licht erscheinen (vgl. VG Aachen, Urteil vom 08.02.2011, Az: 1 K 1880/10).
2. Unklare oder verwirrende Beschilderung
Wenn das Dienstfahrzeug selbst nicht ausreichend gekennzeichnet war oder die Zapfhähne an der Tankstelle keine klaren oder missverständliche Hinweise auf den Kraftstoff (z.B. „Ultimate“ und „Ultimate Superdiesel“) gab, kann der Arbeitnehmer, der die neue Sorte „Ultimate“ (Benzin) für einen günstigeren Dieselkraftstoff gehalten hatte, wegen „verwechslungsträchtiger“ Bezeichnung nicht für grobe Fahrlässigkeit verantwortlich gemacht werden. In solchen Fällen liegt eher eine leichte bis normale Fahrlässigkeit vor (vgl. Arbeitsgericht Kassel Urteil vom 8. Februar 2006, Az: 5 Ca 536/05).
3. Erstmaliger Fehler
Wenn ein Arbeitnehmer das erste Mal in eine solche Situation gerät und keine vorherigen Hinweise oder Schulungen zum richtigen Betanken des Fahrzeugs erhalten hat, kann dies ebenfalls als Entlastung gelten. Ein erstmaliger Fehler ohne Vorsatz kann als milde (normale) Fahrlässigkeit eingestuft werden.
Wichtige Urteile zu grober Fahrlässigkeit und Falschbetankung
Die Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit bei Falschbetankung zeigt, dass Gerichte bei der Beurteilung der Haftungsfrage sehr detailliert vorgehen. Zwar geht auch die Rechtsprechung häufig zunächst von grober Fahrlässigkeit aus, dennoch muss stets auf den vorliegenden konkreten Einzelfall abgestellt und im Ergebnis das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit geprüft werden. Diese Prüfung ist Sache der tatrichterlichen Würdigung. Es gibt einige wegweisende Urteile, die Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei solchen Vorfällen einer Falschbetankung und dem Grad der Fahrlässigkeit und damit zur Haftung Orientierung bieten:
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Januar 2008, Az: 5 Sa 371/07)
In dem zu beurteilenden Fall wurde ein Arbeitnehmer, der ein Dienstfahrzeug fälschlicherweise mit Super Benzin statt Diesel betankte, von der vollen Haftung befreit und das Gericht bestätigte eine Quote von 60% und damit einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 2.142,92 EUR (statt 3.571,54 EUR) . Das Gericht entschied, dass aufgrund der Ablenkung durch ein Gespräch mit einem Tankstellenmitarbeiter an der Zapfsäule lediglich eine Unachtsamkeit aber keine grobe Fahrlässigkeit gegeben sei.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Juli 2003, Az. 7 Sa 631/03)
Hier stellte wiederum das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz fest, dass selbst bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit, aufgrund der vorliegenden Umstände eine Begrenzung der Kosten des Schadensersatzes auf 2/3 des Schadens erfolgt. In diesem Fall wurde der Arbeitnehmer nur gelegentlich beschäftigt und stockte seine allein nicht ausreichende Rente auf. Der beklagte Arbeitnehmer bezog hauptsächlich eine Rente. Statt eines Anspruchs von 4.849,15 EUR wurde der Arbeitnehmer zur Zahlung eines Betrages von 3.232,77 EUR verurteilt. Diese Entscheidung hielt auch das Berufungsgericht für nachvollziehbar und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz.
Arbeitgeberpflichten und Schadenminderung
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Arbeitnehmer über die richtige Handhabung von Firmenfahrzeugen aufzuklären. Dazu gehört insbesondere eine klare Anweisung, welches Fahrzeug welchen Kraftstoff benötigt. Versäumt der Arbeitgeber diese Unterweisung, kann dies seine eigene Haftung verstärken und sogar gegen eine grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers sprechen.
Darüber hinaus besteht für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer die Pflicht, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Das bedeutet, es sollten unverzüglich nach Kenntnis der Falschbetankung Maßnahmen zur Schadensminderung ergriffen werden, etwa durch das sofortige Abpumpen des falschen Kraftstoffs und das Reinigen des Tanks, bevor dieser (weitere) Schäden im Motor verursacht.
Besteht Versicherungsschutz bei Falschbetankung?
In vielen Fällen greift die Kfz-Versicherung des Arbeitgebers nicht bei Schäden durch Falschbetankung. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Haftpflichtversicherung, Teil- oder Vollkaskoversicherung handelt. Allenfalls die Kosten für Sofortmaßnahmen, wie das Abpumpen oder das Abschleppen des Fahrzeugs können durch einen Kfz-Schutzbrief getragen werden.
Auch eine private Haftpflichtversicherung trägt die Kosten nach einer Falschbetankung nicht.
Fazit: Wer zahlt bei Falschbetankung?
Die Haftung bei Falschbetankung hängt stark vom Verschuldensgrad des Arbeitnehmers ab. Während der Arbeitnehmer bei leichter Fahrlässigkeit in der Regel nicht haftet, kann er bei mittlerer und grober Fahrlässigkeit zur Kasse gebeten werden. Aber auch dann ist es möglich, dass der Arbeitnehmer nicht die kompletten Kosten zu tragen hat. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter gut über die richtige Betankung informiert sind und die Fahrzeuge hinsichtlich des zu verwendenden Kraftstoffs beschriftet werden, um Schäden und finanzielle Risiken zu minimieren.
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Dieser Artikel berücksichtigt die aktuelle Rechtsprechung im Arbeitsrecht und richtet sich an Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die sich über das Thema Schadensersatz und Haftung bei Falschbetankung informieren möchten.