Das Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 02.06.2023, Az. 8 W 649/22) hat die von unserer Kanzlei eingelegte sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung vom LG Leipzig als begründet angesehen und dessen Entscheidung abgeändert.
§ 93 ZPO Kosten bei sofortigem Anerkenntnis
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
Sachverhalt
Im Verfahren vor dem Landgericht Leipzig ging es um einen nicht zurückgezahlten Studienkredit, welche die kreditgebende Bank von der Beklagten zurückverlangt. Im Streit war jedoch, ob eine Kündigung der Ratenzahlungsvereinbarung erfolgt ist oder nicht.
Die klagende Bank war der Auffassung, dass diese Stillhaltevereinbarung mit Ratenzahlungsmöglichkeit gekündigt sei. Die Beklagte hat außergerichtlich nach Erhalt eines dazu ergangenen Mahnbescheids Widerspruch eingelegt und dargetan, dass eine Kündigung nicht erhalten wurde und um Zustellungsbeleg ersucht. Ein solcher Beleg wurde nicht übermittelt, stattdessen klagte die Bank eine Zahlung in deutlich fünfstelliger Höhe ein. Nachdem eine fristgerechte Verteidigungsanzeige erfolgte, hat die Beklagte, vertreten durch unsere Kanzlei die Klageforderung aufgrund einer neuerlich mit der Klage erklärten Kündigung unter gleichzeitiger Verwahrung gegen die Kostentragung sofort anerkannt. Das Landgericht Leipzig verurteilte die Beklagte und sah auch die Kostenlast bei dieser:
„…Es sei nicht von einem sofortigem Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO auszugehen. Neben der Erklärung eines sofortigen Anerkenntnis bedürfe es der sofortigen Erbringung der geschuldeten Leistung, was nicht erfolgt ist (LG Leipzig, Urteil vom 11.10.2022, 8 O 2817/21).“
Entscheidung des OLG Dresden zu § 93 ZPO
Das Oberlandesgericht Dresden änderte nach der Nichtabhilfe des LG Leipzig den Urteilstenor wie folgt: „Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits“. Das OLG Dresden sah die Voraussetzungen entgegen der Entscheidung des Landgerichts Leipzig als gegeben an. Es sei zunächst keine unzulässige Bedingung, dass die Beklagte das sofortige Anerkenntnis unter Verwahrung der Kostenlast erklärt habe.
„…Hierbei handelt es sich lediglich um einen Hinweis auf die Kostenvorschrift des § 93 ZPO, die das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat (OLG Dresden, a.a.O.; OLG Dresden, Beschluss vom 24.11.2017, 4 W 928/17, juris, Rn. 2; MüKoZPO/Musialak, 6. Aufl., § 307 Rn. 7).“
Urteilsbegründung (OLG Dresden, Beschluss vom 02.06.2023, 8 W 649/22):
„Die Beklagte hat das Anerkenntnis des klägerischen Anspruchs mit dem fristgerecht eingereichten Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2022 und damit „sofort“ i.S.v. § 93 ZPO, d.h. bei der ersten sich bietenden prozessualen Möglichkeit gegenüber Gericht und Prozessgegner (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl., ZPO § 93 Rn. 12), erklärt.“
Die Verteidigungsanzeige vom 28.06.2022 ist unschädlich, weil mit ihr weder ein Antrag auf Klageabweisung angekündigt wurde noch die Beklagte dem Klageanspruch auf sonstige Weise entgegengetreten ist (OLG Dresden, a.a.O.; vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 21.03.2019, IX ZB 54/18, juris, Rn. 7 ff.)“
OLG Dresden, Beschluss vom 02.06.2023, 8 W 649/22
Die Beklagte habe nach der Entscheidung des OLG Dresden keine Veranlassung zur Klage gegeben. So hat die Beklagte vorprozessual gegenüber der Klägerin mitgeteilt, dass sie ein Kündigungsschreiben nicht erhalten habe. Dem ist die Klägerin weder vor der Klageerhebung noch im Klageverfahren substantiiert entgegengetreten.
Beweislast für fehlende Klageveranlassung nach § 93 ZPO
Die Beweislast für die fehlende Klageveranlassung trifft den Beklagten. Die Beklagte teilte vorprozessual mit, dass ihr eine Kündigung nicht bekannt sei, da nicht zugegangen und auch die Ratenzahlung vollständig geleistet wurde. Diesem Vorbringen ist die Klägerin weder vorgerichtlich noch im Klageverfahren entgegengetreten und hat weder die Absendung des Kündigungsschreibens dargelegt noch deren Zugang. Der Beklagten war es aus diesem Grund überhaupt nicht möglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen des behaupteten Zahlungsanspruchs vorliegen oder nicht. Auch auf diese fehlende Prüfungsmöglichkeit hatte sie die Klägerin bereits außergerichtlich hingewiesen. Eine automatische Kündigungsmöglichkeit enthielt die Stillhaltevereinbarung zwischen Klägerin und Beklagter nicht. Bei negativen Tatsachen, wie vorliegend dem Nichterhalt einer Kündigung, führt dies zu einer sekundären Darlegungslast der Klägerin.
“Die Beklagte kann sich zunächst auf die schlichte Behauptung der negativen Tatsache – das Kündigungsschreiben sei ihr nicht zugegangen – beschränken.
OLG Dresden, Beschluss vom 02.06.2023, Az. 8 W 649/22
Die Klägerin hat mit einem erneuten Schreiben lediglich auf die ausgesprochene Kündigung hingewiesen, eine erneute Kündigung wurde mit diesem Schreiben jedoch für die Beklagte nicht deutlich.
Anerkenntnis nach § 93 ZPO bei Geldschulden erfordert nicht sofortige Bezahlung
Entgegen der noch vom Landgericht Leipzig vertretenen Auffassung, dass bei einer Zahlungsklage und Geldschulden ein Anerkenntnis nur dann vorliege, wenn auch umgehend gezahlt werde, verwies das OLG Dresden darauf, dass sich eine solche Voraussetzung nicht aus dem Gesetz ergibt:
“…bedarf es für ein Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO bei Geldschulden nicht (des Nachweises) der sofortigen Erbringung der geschuldeten und anerkannten Leistung, da ein solches Erfordernis im Gesetz keine Stütze findet (OLG Dresden, a.a.O., BGH, Urteil vom 27.06.1979, VIII ZR 233/79, juris, Rn. 22 f.; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 25.03.2008, 11 W 61/06, juris, Rn. 3 f. m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.07.2022, I-12 W 15/22, juris Rn. 8; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 20. Aufl., § 93 Rn. 19; BeckOK ZPO/Jaspersen, 48. Ed. 1.03.2023, § 93 Rn. 113).”
OLG Dresden, Beschluss vom 02.06.2023, Az. 8 W 649/22
Fazit: Kostenentscheidung bei sofortigem Anerkenntnis, § 93 ZPO
Entscheidend kommt es auf das vorprozessuale Verhalten an. Das der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, hat dieser zu beweisen. Bei negativen Tatsachen genügt jedoch das schlichte Bestreiten. Für die Kostenentscheidung nach § 93 ZPO muss dann im Klageverfahren sofort anerkannt werden. Eine gleichzeitig erklärte Verwahrung gegen die Kostenlast und damit ein Hinweis auf die rechtlichen Folgen aus § 93 ZPO schadet nicht. Keinesfalls darf jedoch nach Klageerhebung dem Anspruch entgegengetreten werden. Bei Geldschulden ist nicht erforderlich, diese auch sofort zu begleichen und dies nachzuweisen, da sich dies nicht aus der Vorschrift des Gesetzes ergibt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt dann ebenfalls die Klägerin.
Im Übrigen hat in einem solchen Verfahren auch ein Antrag auf Prozesskostenhilfe Erfolg.
“Bei einem Anerkenntnis ist eine Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung nämlich dann zu bejahen, wenn die beklagte Partei keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben und sofort anerkannt habe und daher gem. § 93 ZPO von den Kosten des Verfahrens freizustellen sei (OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.2005, 2 WF 426/05; vgl. OLG Naumburg v. 31.1.2000 – 14 WF 20/99, FamRZ 2001, 923; OLG Hamm v. 8.4.2002 – 4 WF 69/02, FamRZ 2003, 459; 33. ZS OLG Hamm v. 18.5.1993 – 33 W 14/93, OLGReport Hamm 1994, 22 = FamRZ 1993, 1344).”
OLG Dresden, Beschluss vom 02.06.2023, 8 W 649/22
Bei einem Anerkenntnis entsteht auch ohne mündliche Verhandlung eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG, welche die Klägerin neben der Verfahrensgebühr zu tragen hat. Die Gerichtskosten ermäßigen sich jedoch trotz Kostenentscheidung.
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Rechtsanwalt und Fachanwalt IT-Recht