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Urheberrecht: Umfang der sekundären Darlegungslast bei Urheberrechtsverletzung

Umfang der sekundären Darlegungs- und Beweislast bei des Anschlussinhabers bei Filesharing

Grundsätzlich besteht in Filesharingverfahren zunächst eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Die spannende Frage ist jedoch, welche Angaben sind hierfür erforderlich?

BGH Entscheidung – Sommer unseres Lebens, BGH-Urteil vom 12. Mai 2010, Az.: I ZR 121/08

„Den Inhaber eines Internetanschlusses, von dem aus ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung des Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht worden ist, trifft eine sekundäre Darlegungslast, wenn er geltend macht, nicht er, sondern ein Dritter habe die Rechtsverletzung begangen (BGH Urteil a.a.O.).“

Die erste Grundsatzentscheidung zu dieser spannenden Frage traf der BGH im Jahr 2010. Bei dieser Entscheidung gab der Anschlussinhaber an, für die Rechtsverletzung selbst nicht verantwortlich zu sein, denn er gab konkret für den Rechtsverletzungszeitpunkt an, nicht anwesend sondern im Urlaub gewesen zu sein und das ein Dritter keinen Zugriff auf den Computer gehabt habe. Daher ging das Gericht davon aus, dass ein Zugriff nur von außen über das betriebene WLAN stattgefunden haben kann. Ein solcher war auch vorliegend wahrscheinlich, da das WLAN nur unzureichend gesichert gewesen ist. Aufgrund dieser ungenügenden Sicherung des WLAN bestand für den Anschlussinhaber jedoch eine Störerhaftung.

BGH, Störerhaftung wegen nicht ausreichend gesichertem W-LAN Router

„Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen (BGH Urteil a.a.O.).“

Fazit: Dem BGH genügte der Vortrag, der Anschlussinhaber habe sich selbst im Urlaub befunden und es gab aufgrund eines nicht ausreichend gesicherten WLAN Zugangs eine Zugriffsmöglichkeit auf den Internetanschluss von außen und damit auch eine Rechtsverletzungsmöglichkeit eines Dritten.

BGH Entscheidung – Morpheus, BGH-Urteil vom 15. November 2012, Az.: I ZR 74/12

(wir berichteten bereits hier darüber)

„Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maß- nahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH Urteil a.a.O.).“

Knapp 2,5 Jahre später entschied der BGH zugunsten der Eltern eines minderjährigen Kindes, welches für die Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gewesen ist. Denn der BGH hat zur Einstandspflicht der Eltern klargestellt, dass diese dann nicht haften, wenn Sie das Kind hinsichtlich der Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt haben. Weitergehende Pflichten bestünden, jedenfalls ohne konkreten Anlass, nicht. Zuvor hatten einige Gerichte vertreten, die Eltern müssten Ihre minderjährigen Kinder überwachen, den Computer überprüfen und den Internetzugang teilweise sperren. Der BGH stellte hierzu jedoch klar, dass derartige Maßnahmen erst dann ergriffen werden müssen, wenn das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

BGH, ohne konkreten Anlass keine Überwachungspflicht gegenüber minderjährigen Kindern

„Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH Urteil a.a.O.).“

Fazit: Hier wurde aufgrund der Angaben, der minderjährige Sohn des Anschlussinhabers hat die Rechtsverletzungen begangen, die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers entkräftet. Etwas anderes könne auch dadurch nicht angenommen werden, weil sich auf dem PC auch Musik befunden habe, für die sich 13- jährige in der Regel nicht interessieren. Ein solcher Umstand kann allenfalls Indiz für eine Täterschaft sein, jedoch keine tatsächliche Vermutung für eine solche begründen. Vielmehr sei es laut BGH dann Sache der Rechteinhaber die Täterschaft des Anschlussinhabers zu beweisen.

BGH Entscheidung – BearShare, BGH-Urteil vom 8. Januar 2014, Az.: I ZR 169/12

(wir berichten bereits hier)

Im Jahr 2014 entschied der BGH dann hinsichtlich der Verantwortlichkeit eines Anschlussinhabers für dessen volljährige Familienangehörige.

„Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer auf Unterlassung, wenn volljährige Familienangehörige den ihnen zur Nutzung überlassenen Anschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch hat, muss er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen. (BGH a.a.O.)“

In diesem Verfahren hat der Anschlussinhaber angegeben, außer ihm benutze auch noch sein im Haushalt lebender 20-jähriger Sohn den Internetanschluss und dieser habe die Rechtsverletzungen, mittels eigenen Computer auch begangen.

„Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; Beschluss vom 4. November 2013 – 22 W 60/13, juris Rn. 7; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2013, 246; LG Köln, ZUM 2013, 67, 68; LG München I, MMR 2013, 16 17 18 – 8 – 396). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. zur Recherchepflicht beim Verlust oder einer Beschädigung von Transportgut BGH, Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 31; insoweit aA OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; LG München I, MMR 2013, 396) (BGH a.a.O.).“

Fazit: Aufgrund der Angabe, neben ihm hat auch der Stiefsohn den Internetanschluss mittels eigenem Computer jederzeit nutzen können und dieser sei auch für die Rechtsverletzungen verantwortlich, hat der Anschlussinhaber auch in diesem Verfahren seiner sekundären Darlegungslast genügt. Aufgrund eines fehlenden Anlasses bestand auch keine Belehrungspflicht, so dass auch eine Störerhaftung ausschied.

BGH Entscheidung – Tauschbörse III, BGH-Urteil vom 11. Juni 2015, Az.: I ZR 75/14

„Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht dadurch, dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 – BearShare) (BGH a.a.O.).“

Bei dieser BGH Entscheidung aus dem Jahr 2015 genügte der Anschlussinhabers nicht seiner sekundären Darlegungslast und wurde als Täter verurteilt. Der Anschlussinhaber bestritt zwar die eigene Täterschaft und gab an, während des Rechtsverletzungszeitpunkts im Urlaub gewesen und sowohl Router als auch Computer vom Stromnetz getrennt zu haben. Hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeit anderer Personen (Familienangehöriger) auf den einzigen im Haushalt befindlichen Computer wurden lediglich pauschale Angaben gemacht. So habe sich der Anschlussinhaber im Hinblick auf seinen eigenen und einzigen Computer nicht dazu geäußert, ob er die streitgegenständlichen Musikdateien oder eine installierte Filesharing-Software vorgefunden hat. Zu dieser Nachforschungspflicht habe jedoch laut OLG Köln (Berufungsinstanz) Anlass bestanden. Da die Familie nur über einen PC verfügt und dieser nur im Beisein des Anschlussinhabers genutzt werden konnte, da sich dieser während dessen Abwesenheit in einem verschlossenen Büro befunden hat, hätte dies der Anschlussinhaber zeitnah bemerkt und zu diesen Umständen ebenfalls vortragen müssen. Eine Rüge erfolgte wegen dieser Beurteilung des Berufungsgerichts in der Revision nicht. Der BGH stellt jedoch in seinen Entscheidungsgründen hierzu klar:

konkrete Nutzungsmöglichkeit eines Haushaltsangehörigen notwendig

„Diesen Anforderungen wird die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss nicht gerecht.“

Fazit: Der Anschlussinhaber wurde in dieser Konstellation als Täter verurteilt. Meines Erachtens stellt diese Entscheidung jedoch keine Weiterentwicklung der BearShare Entscheidung dar, sondern lediglich deren Fortführung auch der vorhergehenden Rechtsprechung. Denn der BGH weißt in dieser Entscheidung nur darauf hin, dass die pauschale Behauptung einer bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs durch Dritte der sekundären Darlegungslast nicht genügt. Eine weitergehende Information zu durchzuführenden Kontrollen oder der Mitteilung von Ergebnissen einer durchgeführten Nachforschung ist damit jedoch nicht verbunden. Dies dürfte vielmehr vom jeweils zu beurteilenden Einzelfall abhängen. Lediglich für den vorliegenden Fall hätte der Anschlussinhaber wohl näher dazu ausführen müssen, wie es zur selbständigen Nutzung des einzigen Computers durch Familienangehörige hätte kommen können.

Denn auch die Mitteilung eines Ergebnisses (egal wie dieses ausfällt) der Überprüfung des Computers lässt eine gleichfalls geschilderte konkrete selbständige Zugriffsmöglichkeit und damit eine Rechtsverletzung durch Familienangehörige nicht unwahrscheinlicher erscheinen. Zudem hat der Anschlussinhaber auch für einen etwaig möglichen Zugriff von außerhalb (über WLAN) keinen Raum gelassen, da dieser vorgetragen hat, aufgrund der schwachen Funkleistung könne eine Verbindung zum WLAN außerhalb seines mit einem 6 Meter hohen Zaun umzäunten Grundstücks nur innerhalb eines Radius von ein bis zwei Metern  Entfernung aufgebaut werden. Die Berufungsinstanz hat diese wiederum bloß theoretisch mögliche Begehungsweise durch in unmittelbarer Nähe des Grundstücks befindliche fremde Dritte als abwegig angesehen.

BGH Entscheidung , BGH-Urteil vom 12. Mai 2016, Az.: I ZR 48/15

In diesem Verfahren für welches die Begründung derzeit noch nicht veröffentlicht wurde, haftet der Anschlussinhaber als Täter, da die Vermutungswirkung nicht widerlegt wurde. Auch bei Familienanschlüssen besteht zunächst eine tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers für die festgestellten Rechtsverletzungen. Auch in einem Fall eines Familienanschlusses muss der Anschlussinhaber diese Vermutung widerlegen.

Laut dem Berufungsgericht (OLG Köln, Urteil vom 6. Februar 2015, Az.: 6 U 209/13) hat der Anschlussinhaber keine ernsthafte Möglichkeit einer Verletzungshandlung aufgezeigt, die ohne dessen Wissen erfolgt ist. Zwar gab dieser zunächst zwei Computer an, die mit dem Internet verbunden gewesen sein sollten, tatsächlich wurde jedoch festgestellt, dass lediglich ein Computer an das Internet angeschlossen war. Dieser Computer wurde von der ganzen Familie genutzt. Die Kinder durften jedoch nur zeitweise und unter Aufsicht der Ehefrau des Anschlussinhabers das Internet nutzen. Die Ehefrau gab hierzu an, sie habe die Kinder bei der Internetnutzung regelmäßig im Blick gehabt, da sie beim Vorbeigehen immer auf den Computer schaute und sich teilweise auch erklären ließ, was die Kinder gerade machten. Doch wie bei einer solchen Darstellung ein illegales Nutzen eines Filesharingprogramms möglich gewesen sein soll, hat der Anschlussinhaber nicht vorgetragen. Die Ehefrau schied als Täterin ebenfalls aus, da diese ausgesagt hatte, Tauschbörsen nicht zu kennen. Zur eigenen Internetnutzung und daher auch zu möglichen Anhaltspunkten einer Tauschbörsennutzung hat der Anschlussinhaber nicht vorgetragen.

„Ist – wie hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und letztlich auch der eigenen Darstellung des Klägers im Termin am 16.01.2015 – nicht feststellbar, dass ein Dritter selbständigen Zugang zu dem Internet des Anschlussinhabers hatte und danach allein verantwortlich für die Rechtsverletzung sein kann, bleibt es bei der tatsächlichen Vermutung, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt. (OLG Köln, Urteil vom 6. Februar 2015, Az.: 6 U 209/13)“

Wie der Pressemeldung des BGH (Nr. 87/2016 vom 12. Mai 2016) zu entnehmen ist, hat auch nach Ansicht des BGH das Berufungsgericht zurecht angenommen, dass die Ehefrau als Täterin für die abgemahnten Rechtsverletzungen ausscheide. Der Anschlussinhaber hat ebenfalls auch nicht hinreichend konkret dazu vorgetragen, dass dessen Kinder ernsthaft als Täter der Rechtsverletzungen in Betracht kommen. Damit bleibt es bei der Tätervermutung des Anschlussinhabers, die Revision wurde daher im Wesentlichen zurückgewiesen.

Wie bereits im Tauschbörse III Verfahren handelte es sich wiederum um lediglich einen Familien-PC der mit dem Internet verbunden gewesen ist und nur mit zudem nur mit einigen Umständen durch andere Familienmitglieder hätte selbständig genutzt werden können. In solchen Fällen wird von der Rechtsprechung ein erhöhtes Maß an konkreten Vortrag zur Widerlegung der Täterschaftsvermutung vorausgesetzt. Ob dies auch auf andere Fälle von Familienanschlüssen mit mehreren internetfähigen Geräten so ist, dürfte zumindest fraglich erscheinen und bleibt abzuwarten.

Daniel Baumgärtner

Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht

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